„Sauberer“ Verkauf von Desinfektionsmitteln in Zeiten von Corona
April 14th, 2020 Posted by Alex Raquet Allgemein 0 thoughts on “„Sauberer“ Verkauf von Desinfektionsmitteln in Zeiten von Corona”Desinfektionsmittel – Wahrscheinlich eine der „heißesten“ Waren in Zeiten der Corona-Krise.
Bereits Ende März 2020 meldete der SPIEGEL eine Verachtfachung der Nachfrage nach Desinfektionsmitteln. In der Zwischenzeit hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bereits umfangreiche Allgemeinverfügungen mit Ausnahmeregelungen erlassen, um Apotheken, pharmazeutischer und chemischer Industrie sowie Personen des öffentlichen Rechts die Herstellung und das Bereitstellen von zusätzlichen Desinfektionsmitteln auf dem Markt zu erleichtern.
Entsprechend explodiert auch der Online-Markt. Und seit neuestem auch wieder einmal das Abmahnwesen. Dabei stehen jedoch nicht nur „Wucherpreise“ und entsprechend nichtige Rechtsgeschäfte – vollkommen zu Recht – in Rede. Auch Anbieter, die ihre Desinfektionsmittel zu angemessenen und moralisch vertretbaren Preisen vertreiben, sind vor Abmahnungen von Wettbewerbern nicht gefeit.
Was also müssen Online-Händler beim Anbieten und Bewerben von Desinfektionsmitteln – außer einer fairen Preisgestaltung – noch beachten?
Die Biozid-Verordnung
Desinfektionsmittel zur menschlichen Hygiene, aber auch solche zur Hygiene im Veterinärbereich, zur Desinfektion im Lebens- und Futtermittelbereich und von Wasser fallen unter die Biozid-Verordnung der Europäischen Union aus dem Jahre 2012 (EU-Verordnung 528/2012).
Hiernach unterliegt sowohl die Herstellung der Desinfektionsmittel als auch der hierin enthaltenen Wirkstoffe umfangreichen Zulassungs- und Genehmigungsvoraussetzungen.
Ferner ist auch der Vertrieb von Desinfektionsmitteln zahlreichen Informations- und Kennzeichnungsvorschriften unterworfen, die gerade vom Online-Handel nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten.
Auffällig zum Beispiel ist, dass vielen Online-Angeboten bereits der Hinweis
„Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“
fehlt. Diese Information muss jedoch bei jeder Bewerbung von Desinfektionsmitteln gemäß Art. 72. Abs.1 Biozid-VO deutlich abgehoben und gut lesbar angegeben werden. Eine Ausnahme gestattet der Verordnungsgeber dabei nur insoweit, als dass der Begriff „Biozidprodukt“ durch einen eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart (z.B. „Desinfektionsmittel“) ersetzt werden darf.
Weitere Gefahren lauern, wenn Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend oder verharmlosend dargestellt werden.
Aussagen wie „ungiftig“, „unschädlich“ „natürlich“, „umweltfreundlich“ oder „tierfreundlich“ dürfen dabei nicht einmal dann zur Bewerbung verwendet werden, wenn sie tatsächlich zutreffend wären.
Die CLP – Verordnung
Bereits die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichten im Fernabsatz über die wesentlichen Eigenschaften des jeweils angebotenen Produkts zu informieren.
Obligatorische Angaben im Rahmen der Artikelbeschreibung eines Online-Angebots von Desinfektionsmitteln sind hiernach u.a.
- Name und Anschrift des Zulassungsinhabers,
- Bezeichnung jedes Wirkstoffs und seine Konzentration in metrischen Einheiten,
- der Hinweis, ob das Produkt Nanomaterialien enthält sowie auf mögliche, sich daraus ergebende Risiken und nach jedem Hinweis auf Nanomaterialien das Wort „Nano“ in Klammern,
- die Anwendungen, für die das Biozidprodukt zugelassen ist,
- Gebrauchsanweisung, Häufigkeit der Anwendung und Dosierung,
- Besonderheiten möglicher unerwünschter, unmittelbarer oder mittelbarer Nebenwirkungen sowie
- die Kategorie von Verwendern, die das Biozidprodukt verwenden dürfen.
Über diese allgemeinen Hinweise hinaus sieht die sogenannte „Regulation on Classification, Labelling und Packing of Substances and Mixtures“ weitere Gefahrenhinweise und Kennzeichnungsvorschriften vor (kurz: CLP-Verordnung (VO [EG] Nr. 1272/2008).
Werden Inhaltsstoffe der Desinfektionsmittel nach der CLP-Verordnung als gefährlich eingestuft oder beinhalten ein von der Verordnung geregeltes besonderes Gemisch, ist der Verbraucher auch explizit über deren Gefahreneigenschaften in Kenntnis zu setzen.
Je nach Zusammensetzung des Hygieneprodukts hat die Information über die jeweilige Gefahr durch Hinweise in Form von
- Gefahrenpiktogrammen,
- Signalwörtern („Achtung“, „Gefahr“),
- Gefahrenhinweisen (z.B. „Verursacht schwere Augenschäden.“, „Verursacht Hautreizungen.“) und
- Sicherheitshinweisen (z.B. Nach Gebrauch Hände gründlich waschen.“ oder „Nur im Originalbehälter aufbewahren.“
zu erfolgen.
Während der Hersteller dieser Pflicht durch die Etikettierung des Produkts oder Kennzeichnung der Produktverpackung nachzukommen hat, müssen die jeweiligen Gefahrenhinweise auch im Bereich des Fernabsatzes zwingend dem Verbraucher zur Kenntnis gebracht werden.
Wie müssen die Angaben im Online-Angebot erfolgen?
Entscheidend ist, dass der Verbraucher sämtliche obligatorischen Informations- und Gefahrenhinweise bereits vor dem Online-Kauf ohne weitere Zwischenschritte und gut lesbar zur Kenntnis nehmen kann.
Verlinkungen, Fußnoten oder Reiter auf die Hinweise sind daher ebenso zu vermeiden, wie eine Direktbestellung über den Warenkorb, ohne dass der Verbraucher die Artikel- und Sicherheitsbeschreibung wahrnehmen muss.
Zu empfehlen ist daher eine vollständige Kennzeichnung der gesetzlichen Pflichtangaben im Rahmen einer detaillierten Artikelbeschreibung, die der Verbraucher vor Abschluss des Kaufs zwingend zu passieren hat.
Dabei kann die Darstellung der Gefahrenhinweise auch durch die bildliche Wiedergabe des entsprechend beschrifteten Etiketts oder der Verpackung des Desinfektionsmittels erfolgen. Allerdings ist darauf zu achten, dass die jeweiligen Informationen für den Verbraucher auch noch ohne Weiteres lesbar sind.
Wichtig ist für den Online-Händler ferner, auf die Etikettierung und Verpackungskennzeichnungen des Produkts durch den Hersteller oder Importeur nicht blindlings zu vertrauen. Nicht immer sind diese vollständig und entsprechen den Vorgaben der Unionsverordnungen.
Fazit:
Der Online–Handel von Desinfektionsmitteln boomt. Und mit ihm wieder einmal das Abmahnwesen.
Wucherpreise sind nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich angreifbar. Um kostenpflichtigen Abmahnungen von Wettbewerbern vorzubeugen, sollten aber auch gesetzlich vorgeschriebene Werbeangaben im Fernabsatz nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Händler sollten sich zudem beim Hersteller und Inverkehrbringer der Waren rechtsverbindlich versichern lassen, dass Etikettierung und Verpackung den Kennzeichnungsvorschriften der Biozid- und CLP-Verordnung entsprechen.
Gerne steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Kreische LL.M. für Ihre Rückfragen zur Verfügung und übernimmt Ihre anwaltliche Beratung, sollten Sie Desinfektionsmittel in den Verkehr bringen wollen oder bereits eine Abmahnung erhalten haben.
Björn Kreische, LL.M. (University of Cape Town)
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz